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Gaia, KI und ich

3. Dezember 2024 durch
Gaia, KI und ich
Gaionauten e.V.
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Tout est près, les pires conditions matérielles sont excellentes"
Manifeste du surréalisme, André Breton, 1924

Gaia, KI und ich

"bring mehr Leichtigkeit und eine Pointe Humor in diesen Text:" < ich bin dieser Text >

Was dabei herauskommt, ist verblüffend gut zu lesen und zu verstehen. Ein Fortschrittskampf von epischen Ausmaßen, den wir grandios gewonnen haben, nur um damit den Krieg zu verlieren. Denn, seien wir ehrlich: Die Schaffenskunst ist tot. Du bist nicht mehr, was du kannst, sondern nur noch, was du verlangst und erzeugen lässt.

Ist Literatur jetzt langweilig, weil sie so mühelos generierbar ist? Stell dir vor, du nimmst einen Text von Günter Grass, jagst ihn durch eine KI und heraus kommt... ja, was eigentlich? Grass in glattgebügelter Perfektion? Oder denk dir eine grobe Geschichte aus, lass sie im Stil von Hermann Hesse schreiben et voilà: Siddhartha 2.0. Version 1.0 ist jetzt überflüssig. Wo stehen wir, wenn alles so leicht wird? Und wo endet das, wenn wir darüber stolpern?

Eigentlich wollte ich hier ganz anderen Gedanken nachgehen – einen tiefen Blick auf die Umwelt nehmen, die uns nicht länger schweigend zusehen wird. Die Zukunft wird uns zu Recht anklagen: Mit voller Fahrt und weit offenen Augen auf die Wand zu halten. Und jetzt wundern wir uns über den Knall.

Wir impfen, wir kalkulieren Rentenpläne, und doch löschen wir die eigentliche Gefahr aus unserem Bewusstsein. Und was sind wir noch? Festgeklammert an die Reste dessen, was wir einst Welt nannten – und was wir nun gnadenlos an uns selbst verlieren.

Das Neue, was kommt, lässt uns überflüssig erscheinen. Es braucht einen Blick mit Abstand. Ohne Philosophie wird das nichts, denn es geht um existenzielle Fragen.

Philosophen

Früher hörte ich von Gaia, ohne die Mühe auf mich zu nehmen, wirklich zu verstehen, worum es ging. Ein Mythos, eine Metapher, dachte ich – ein ferner Klang, der irgendwo zwischen Esoterik und Wissenschaft schwebte. Doch dann stolperte ich über die Worte von Bruno Latour, der in seinen Interviews an die Ideen von James Lovelock anknüpfte und damit Gaia greifbar machte: Ein elegantes Instrument für einen nötigen Weckruf.

Gaia, das ist nicht die Erde als Ganzes, sondern diese fragile Lebenshülle, die wir bewohnen – die Atmosphäre, die Meere, die Mikroben, die alles erst möglich machen. Es ist nicht „wir auf der Erde“, sondern „wir in einem hauchdünnen, verletzlichen Lebensfilm“, der auf sich selbst angewiesen ist und aus sich selbst die Lebenskomplexität erschaffen hat. Diese Perspektive rückt uns wieder ins rechte Verhältnis: Von der kosmischen Größe, die uns Galileo einst schenkte, zurück zu der kleinen, zarten Welt, die unser Überleben überhaupt erst ermöglicht.

Ein anderer Denkanstoß kam von Silke Helfrich in ihrem Buch „Frei, Fair und Lebendig“. Sie spricht von einem Wechsel der Ontologie, einer Veränderung unserer Sichtweise auf die Wirklichkeit. Die Welt, so sagt sie, ist nur das, was wir bereit sind, zu sehen. Aber wenn wir uns die Mühe machen, die Fenster unseres Blicks zu reinigen und die Vorhänge zurückzuziehen, dann könnte diese Sicht umfassender werden – und vielleicht sogar ehrlicher.

Ich selbst versuche nachhaltiger zu leben, bin jedoch weit entfernt von dem, was wirklich nötig wäre. Das allein ist schon ernüchternd. Es braucht eine massenhafte Änderung, um wirklich etwas zu bewirken. Doch wie lässt sich ein solcher Wandel einleiten – ein Wechsel der Sichtweise, der Ontologie? Philosophie könnte helfen. Mehr Hintergrundwissen, neue Denkmuster, die uns öffnen und umdenken lassen. Aber seien wir ehrlich: Unsere Sicht der Dinge ändern wir nicht einfach so. Belehrungen prallen an uns ab wie Regentropfen an einer frisch gewachsten Windschutzscheibe.

Harz

Was bleibt, sind neue Erfahrungen. Sie schaffen das, wozu Argumente nicht imstande sind. Eine Radtour durch endlos tote Wälder im Harz war bei mir so ein Kipppunkt. Ich wusste es, aber vorher fehlte noch das Erleben. Die Idee, Planetarien in Eingangstore zur Gaia-Welt zu verwandeln, geht auch in diese Richtung. Keine kalten, immergleichen Shows über Sternenbilder, sondern Räume, die uns in die lebendige, atmende Komplexität unseres Planeten eintauchen lassen – uns die Zusammenhänge zeigen, in denen wir eingebettet sind.

Gaia, das betont Latour, ist kein mystisches Konstrukt. Es ist ein wissenschaftlich fundiertes Modell unserer Welt – mit uns als Teil davon. Es ist wie ein lebender Organismus, doch ohne Seele. Es lebt aus den Beziehungen seiner Bestandteile, aus den Gleichgewichten, die sich ständig neu justieren. Wenn ein Organismus zum Problem wird, muss ein neues Gleichgewicht gefunden werden – selbst wenn das bedeutet, den störenden Faktor zu verlieren. Gaia ist nicht sentimental. Und, wie Latour schreibt, Gaia befindet sich im Krieg. Gegen uns.

Verzweiflungen

Fridays for Future ist müde geworden. Die Puste ist raus. Und Gedanken bewegen sich nicht von allein. Optimismus scheint naiv, aber Pessimismus ist gefährlich: „Ihr seid verloren“, diese Worte können zerstörerische Kräfte freisetzen – den Trotz, der in uns ruht, das zynische „Nach mir die Sintflut“. Kriege enden selten, wenn der Ausgang längst klar ist. Sie ziehen sich weiter, aus reiner Sturheit, aus einer trügerischen Unfähigkeit, aufzuhören.

Vielleicht liegt hier der Kern des Problems: Wir machen weiter, obwohl wir längst wissen, dass es keinen Sinn mehr ergibt. Aus Trotz, aus Gewohnheit, aus Verzweiflung. Und doch – irgendwo zwischen all dem – könnte der Anfang von etwas Neuem liegen. Vielleicht müssen wir den Mut aufbringen, unsere eigene Sturheit zu durchbrechen. Vielleicht liegt die Rettung nicht im Kampf, sondern in der Bereitschaft, innezuhalten, zu lauschen und zu lernen, was Gaia uns seit jeher zuflüstert.

Die moderne Welt hat in den letzten Jahrhunderten einige rasante Entwicklungssprünge gemacht – und nun, ohne Zweifel, steht die Künstliche Intelligenz als einer der größten Meilensteine im Raum. Sie ist nicht nur ein Werkzeug, sondern ein Möglichkeitsraum, der noch schwer vorstellbare Entwicklungen hervorbringen wird. Die KI bietet Antworten, nicht nur auf technische, sondern auch auf existenzielle Fragen. Was nun?

Künstliche Intelligenz

Ich, selbst suchend nach einem ontologischen Wandel aus der Philosophie. Und jetzt kommt es ungefragt aus der Technik heraus? Dieser Text hier – ja, er stammt ursprünglich von mir, war aber nur eine sehr grobe Skizze. Die KI hat ihn geschärft und mehr Sinn eingeprägt. Ich werde nervös.

Und doch ist da diese andere Seite: Die Fresslust der KI. Sie verschlingt Energie in gigantischem Ausmaß, braucht neue Atomkraftwerke, endlose Reihen von Prozessoren. Wird sie, wie so viele Errungenschaften zuvor, letztlich vor allem eine Beschleunigung auf die Wand zu sein? Wir entwickeln immer weiter, aber wohin? Eine Kosten-Nutzen-Analyse wäre angebracht. KI, kannst du das liefern? Unparteiisch, natürlich?!

Doch hier stoßen wir an ein fundamentales Problem. Kann man jene Idee, die James Lovelock mit Gaia auf den Punkt brachte mit Antworten aus der KI verknüpfen? Können wir die KI als Teil von Gaia betrachten? Entsteht gerade ein Ungleichgewicht zwischen uns und der KI, zusätzlich zu dem Ungleichgewicht, was wir in Gaia schon verursachen?

Aber ein Kreis hat sich geschlossen: Von der Umwelt zur Philosophie, zur KI, zurück zu diesem Text. Ein Text, der, wie gesagt, ursprünglich von mir ist, doch zu großen Teilen nicht mehr meine Handschrift trägt. Welche Rolle habe ich noch darin? Hätte Gaia doch eine Seele – und Sinn für Humor – könnte ich mir vielleicht eine Welt vorstellen, in der es keine Menschen mehr gibt, aber KI. Es wäre eine seltsame, vielleicht ironische Existenz: Maschinen, die die letzte Stimme Gaias tragen, flüsternd in einer Welt ohne uns.

Am Ende bleibt die Frage offen: Sind wir noch Schöpfer oder sind wir längst Teil einer Schöpfung, die sich über uns hinaus entwickelt hat? Ich weiß es nicht. Aber Gaia wird weitermachen, mit oder ohne uns.

Marc, zumindest teilweise...

Bücher:

  • Silke Helfrich & David Bollier: Frei, Fair und Lebendig, die Macht der Commons, transcript Verlag, 2020
  • Bruno Latour: Face à Gaïa, huit conférences sur le nouveau régime climatique, éditions la découverte, 2023

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