Fulldome 2.0: Das Planetarium der Zukunft?
Ein kollektiver Erlebnis- und Gestaltungsraum für die vielfältigen Herausforderungen zwischen Menschen und ihrer Umwelt
Motivation
Das Planetarium als Institution ist 100 Jahre alt. Es stand, wie der Philosoph Walter Benjamin erkannte, von Anfang an im Spannungsfeld von Naturverbundenheit und Naturbeherrschung. Nach anfänglicher Euphorie gerieten viele Kuppelgebäude schnell in den Hintergrund des Interesses. Sogar in partielle Konkurrenz mit anderen kulturellen Einrichtungen, um ihre Existenzberechtigung auf der Basis von höheren Besucherzahlen zu sichern. Heute stehen sie vor der Herausforderung, sich für die nächsten 100 Jahre neu zu definieren. Sie versprechen: "Die Sterne waren nur der Anfang."
Tatsächlich: Viele Planetarien haben bereits begonnen, sich aktuellen Themen wie Klimaschutz und Achtsamkeit zu widmen, z.B. über Filmvorführungen oder künstlerischen, audio-visuellen Formaten. Einige experimentieren schon mit Datenvisualisierungen und Wissenschaftstheater. Erste Verbindungen mit szenischen Darstellungen vor der Kuppelleinwand entstehen. Der Fokus liegt dabei noch sehr überwiegend auf dem Kosmos. Nicht zu vergessen die Sternen-Entusiasten, die sich bei der Weitergabe ihres Wissens an die nachfolgenden Generationen eingagieren.
Idee
Aber wie wäre es, wenn wir in Zukunft unsere sozialen und technischen Infrastrukturen wie bisher das Weltall betrachten? Oder die vielfältigen Bezogenheiten zwischen Natur und Kultur? Sozusagen als "Sterne" und "Galaxien", mit all ihren Wechselwirkungen? Wir möchten diesen Weg gern konsequenter weitergehen und den Blick ganz im Sinne von James Lovelocks Gaia-Hypothese stärker auch auf die Erde lenken. Dabei möchten wir die Tradition sowie die besonderen Qualitäten des Planetariums als Spannungsfeld zwischen dem "Wunder der Technik" und den "Techniken des Wunderns" selbstverständlich bewahren: Das gemeinsame Eintauchen in Welten jenseits unserer Alltagserfahrung. Statt passivem Staunen und wissenschaftlicher Belehrung steht nun jedoch eine partizipative und nachhaltige Entwicklung im Mittelpunkt, ohne den emotionalen Zugang zu zerstören. Technik erhält dabei einen neuen Stellenwert - als interaktives Werkzeug für eine lebenswerte, selbstbestimmte Zukunft.
Stellt euch einen Raum vor, in dem Menschen gemeinsam in virtuelle Welten ihres lokalen Umfelds audio-visuell eintauchen können. Wie unter einer "kollektiven VR-Brille" erkunden sie ihre Umgebung neu und erproben kreative Wege der Gestaltung ihres Verhältnisses zu ihrer Mitwelt, letztlich zu sich selbst. Das Planetarium der Zukunft könnte moderne Projektionstechnik mit AR-Technologien uvm. zu einem einzigartigen Erlebnis- und partizpativen Aktionsraum für Kooperation und Zukunftsgestaltung vor Ort verbinden, die bis in die Realität hinausreicht. Ein neues Alleinstellungsmerkmal, das vielfältige Anwendungen ermöglicht und sich über Besuchermangel keine Gedanken mehr machen muss.
Anwendungsbeispiele
Die Einsatzmöglichkeiten sind konkret und praxisnah: Menschen können Stadtentwicklungsideen gemeinsam visualisieren und selbst erarbeiten.
Urbane (Mess-) Daten, gewonnen zwischen bodengestützten Sensoren und Satellitenempfängern
verwandeln sich in begehbare Kunstwerke. Verschiedene Zukunftsszenarien werden erfahr- und vergleichbar - vom Wasserkreislauf der Stadt bis zum Leben der Stadtbäume. Intuitive Steuerung macht komplexe Zusammenhänge begreifbar und lädt zur aktiven Mitgestaltung ein. So wird Bürgerbeteiligung barrierefrei, greifbar, kreativ, spielerisch: zur Freude nicht nur für Kinder und Jugendliche. Ein spannender Zugang auf dem Weg zu "Kommunaler Intelligenz".
Integration, Immersion, Interaktion
Die hochauflösende 360°-Projektion bildet die Basis für das gemeinsame Erleben. Leicht tragbare AR-Geräte und andere Interfaces ermöglichen die persönliche Interaktion, während eine Echtzeit-Synchronisation das Gruppenerlebnis gewährleistet. In diesem Zusammenspiel entsteht ein Raum für neue Formen der kollektiven Zukunftsgestaltung, die bald auch über das audio-visuelle Erleben hinausgehen.
Erste Komponenten dieser Vision sind bereits heute umsetzbar. Die Fulldome-Projektion und grundlegende AR-Funktionen können schon mit kleineren Gruppen erprobt werden. Die vollständige Vision wird Schritt für Schritt Realität.
Das Planetarium der Zukunft könnte mehr sein als ein Ort audio-visueller Wissensvermittlung oder oder entspanntem Kunstgenuss – auch wenn dies weiter eine wichtige Rolle spielt. Es könnte darüber hinaus jedoch ein kollektiver Experimentier- und Gestaltungsraum werden, der bald mit allen Sinnen in Beziehung treten kann. Hier werden Zusammenhänge be-greifbar, Ideen erlebbar und Zukünfte gemeinsam gestaltbar.