Die Natur des Gartens und Künstliche Intelligenz (KI) - das klingt nach einem Paradox. Unmittelbare, direkte Erfahrung durch weitere technische Medien ersetzen, um sich der Natur zu nähern?
Ja, das ist ein Paradox, wenn wir Technik und Natur unversöhnlich und getrennt von einander betrachten. Betrachten wir Technik aber als weitere Möglichkeit, Unbekanntes, Unsichtbares, Unvorhergesehenes auf neue Weise sichtbar zu machen, als Ausdruck menschlicher Kreativität, dann kann darin eine Chance liegen.
„Wie Du in den Wald hineinrufst, so schallt es zurück“, sagt ein deutsches Sprichwort. So könnte man auch das Wort Resonanz beschreiben: Wir machen etwas, um eine Antwort zu erhalten, um in Verbindung zu treten. So war vermutlich auch das Resonanz-Labor im Garten zu verstehen, zu welchem die Veranstalter Jan Hüfner und Richard Schut nach Göhrenz (Makranstädt) eingeladen hatten.
Sie präsentierten lauter schöne Ideen, wie uns digitale Technik die Natur vielleicht auf neue Weise näher bringen kann: Zum Beispiel der Versuch, mit einer Pflanze im Garten Mittels KI zu kommunizieren. Die Idee dahinter: Forschungen haben gezeigt, dass Pflanzen tatsächlich in der Lage sind, Signale auszutauschen. Diese “Kommunikation” geschieht nicht durch Worte oder Laute, wie wir sie kennen, sondern durch chemische, elektrische und sogar mechanische Signale. Diese Signale wurden in Göhrenz - mit Beginn der Dämmerung - von einer KI am Laptop sichtbar gemacht und in Töne und Grafiken übersetzt.
Zumindest bei den menschlichen Besuchern führte das zu Resonanz und sogleich kam die Frage auf: Was passiert, wenn ich die Pflanze streichele? Sehe ich eine Resonanz auf dem Bildschirm? Verändert sich der Ton? Ja, da tut sich was, aber was das genau bedeutet, ist noch nicht geklärt. Doch so beginnt eine Entdeckungsreise - und KI könnte dazu beitragen, unsere Verbindung zur Natur zu vertiefen und ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln.
Im wahrsten Sinne des Wortes zum Piepen, war auch ein anderes KI-Tool, das man unter dem Zeltdach bestaunen konnte: gefüttert mit zuvor aufgezeichneten Vogelstimmen aus dem Garten, verwandelte es diese Töne in ein dreidimensionales Bild - und zeigte per Hologramm, wie die Tiere aussehen.
Ausprobieren, experimentieren, das stand im Fokus beim Projekt „Resonanz-Labor“ im Garten - auch auf der improvisierten Bettlaken-Leinwand: Kann die KI helfen, emphatisch zu kommunizieren? Kann sie die Philosophie eines Walter Benjamin zum Leben erwecken? Was passiert, wenn die KI die Worte Benjamins mit der Methode der „gewaltfreien Kommunikation“ von Marshall Rosenberg übersetzen soll?
Es geht ziemlich in die Hose, zeigt aber gerade durch das Scheitern, was menschliche Kommunikation wirklich gelingen lässt. Hohle Phrasen, die statisch Verständnis vorgeben, haben mit lebendigem Austausch nämlich nichts zu tun (Wie wir durch Hotline-Warteschleifen oder bei Chat-Bot-Antworten erkennen können).
Denn das bedeutet, dass ich mich immer wieder neu auf mein Gegenüber einstelle - mich auf seine jeweilige Stimmung einlasse. Dazu brauchen wir mehr als Worte. Und müssen zuhören können. Erst das schafft gelungene Resonanz.
Noch ist nicht ganz klar, wo die Reise für die beiden Veranstalter genau hingehen soll. Ziel ist eine Art immersives Planetarium, das sich aber nicht dem All, sondern den „unendlichen Weiten“ der Erde zuwendet. Als Überbau dienen Ideen wie die von Walter Benjamin (der das Planetarium u.a. als Ort der Ruhe und Besinnung, als Gegenpol zum städtischen „Herumstreunen“ für sich entdeckte), Bruno Latour (Parlament der Dinge) oder Hartmut Rosa („Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung“). Die Idee des Planetariums kommt dabei nicht von ungefähr: ein großes Planterarium gab es in Leipzig schon mal, bis es im 2. Weltkrieg bei einem Bombenangriff zerstört wurde.
All das muss noch weiter Form annehmen. „Wir sind mit unserem Projekt noch ganz am Anfang“, betonte Jan Hüfner daher auch gleich zu Beginn. Es solle kein „gigantischs Projekt von oben werden“, sondern es braucht „Partnerschaften, Netzwerke, Input, Mitgestaltung vieler Menschen, Institutionen.“
Auf jeden Fall sind schon viele kleine Pflanzen am Wachsen. Sie brauchen noch weitere konkrete Arbeit. Resonanz eben.
Anna Pruggmayer
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